Gedanken zum Monat

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gäste,

eine Familie unserer Gemeinde gab mir ein kleines Buch mit Gedichten des Priesters David Maria Turoldo, der bis zu seinem Tod 1992 in ihrer Heimat im Nordosten Italiens lebte und sie immer wieder inspiriert hat. Darin findet sich ein Gedicht mit der Überschrift „Credo“ – Ich glaube.

Auch die Götter schweigen beim Anblick des Schmerzes,

doch erreicht uns aus einem finsteren Garten eine Stimme:

sie kommt aus dem Stamm des gewundenen Ölbaums,

sie kommt aus dem Rachen verletzter Tiere,

sie kommt, ohne Vokale, aus dem Munde Ermordeter:

 

Und Er – „candor lucis aeternae“ –

                       das Gesicht zur Erde

                        und voll Erde die Hände:

 

                        einzige Antwort des „wahren Gottes“.

Wenn wir Ostern feiern, geht es um diese Tiefe unseres Menschseins. „Auch die Götter schweigen beim Anblick des Schmerzes“. Wer Menschen leiden sieht, dem bleiben alle schönen Worte im Mund stecken. Der „wahre Gott“ ist anders: Er gibt keine Erklärungen: Er macht sich den Schrei der verkrüppelten Bäume, der gequälten Tiere und der ermordeten Menschen, von denen unsere Nachrichtensendungen so voll sind, zu Eigen. Er ruft aus dem nächtlichen Garten Gethsemane. Er läuft vor dem Kreuzweg nicht weg, sondern bleibt der Erde zugeneigt; er macht sich die Hände schmutzig. Und er zeigt dadurch, wer er ist: „candor lucis aeternae“ – Glanz des ewigen Lichtes. Wenn wir Ostern feiern, fliehen wir nicht in die Illusion einer heilen Welt, sondern wir schauen auf den, der unsere Welt und uns Menschen mit all den Schmerzen und Schreien angenommen hat und durchgetragen hat bis zum Tod. Was erlöst und zum Leben führt, das ist seine unergründliche, durchgehaltene Liebe. Wenn wir Ostern feiern, dann nehmen wir diese einzige Antwort des „wahren Gottes“ in unser Herz und lassen uns von ihr Hoffnung schenken. Sie ruft uns, nicht in der Nacht des Todes zu bleiben, sondern mit ihm aufzuerstehen und sich da, wo wir leben, den Menschen und ihren Nöten zuzuwenden: „das Gesicht zur Erde und voll Erde die Hände“.

Gemeinsam mit den Mitarbeitern grüßt Sie  

Ihr Pfarrer Dr. Michael Höhle